Experimente

Die experimentelle Methode ist ausgezeichnet dazu geeignet, einen wichtigen und belastbaren Bezug herzustellen zwischen der Theorie, dem Menschen als handelndes und entscheidendes Wesen und der wirtschaftspolitischen Realität. Das Experiment ist deshalb dafür besonders geeignet, weil es in der Lage ist, abstrakte Theorie direkt abzubilden, um sie auf diese Weise der Realität zumindest näher zu bringen, als es durch reine Schreibtischforschung möglich wäre. Die experimentelle Forschung wird am Lehrstuhl einerseits als notwendige Grundlagenforschung angesehen, die intensiv im MaXLab betrieben wird. Gleichzeitig wird aber auch immer der Versuch unternommen, experimentelle Methoden dafür zu verwenden, Aufschluss über verhaltensökonomische Grundlagen für wirtschaftspolitische Gestaltungen zu erlangen. Die sei an drei praktischen Beispielen verdeutlicht:

1. Fochmann, Sachs, Sadrieh und Weimann (2017) untersuchen die verhaltensökonomischen Grundlagen der Staatsverschuldung. Warum beobachten wir, dass Menschen auf breiter Front bereit sind, Parteien zu wählen, die sich für eine Ausweitung der Staatsverschuldung aussprechen? Welche Motive, oder welches eingeschränkt rationale Kalkül steckt dahinter? Die experimentelle Forschung zeigt, dass die im Labor gezeigten Verhaltensmuster am besten durch die Annahme strikt rationalen, eigennützigen Verhaltens erklärt werden können. Es kommt zur Verschuldung, weil die Versuchspersonen die Möglichkeit nutzen, die Kosten des eigenen Konsums auf nachfolgende Generationen abzuwälzen. 

2. Was genau steuert das Kooperationsverhalten in großen Gruppen? Seit Olsons "Logik des kollektiven Handelns" geht man davon aus, dass große Gruppen nicht in der Lage sind, kollektive Interessen gut durchzusetzen. Der Grund ist, dass bei großen Gruppen der Einfluss, den das einzelne Mitglied auf die Produktion des Kollektivgutes hat, verschwindend gering werden kann und damit der Anreiz entfällt, die Kosten für den Beitrag zur Kollektivguterstellung zu tragen. Eine experimentelle Überprüfung dieser These war lange Zeit nicht möglich, weil man dazu große Gruppen braucht, die aus logistischen Gründen kaum für Laborversuche in Fage kamen. Weimann, Brosig-Koch, Heinrich, Henning-Schmidt und Keser (2017) lösen dieses Problem durch die virtuelle Zusammenlegung von vier Laboren. Sie können zeigen, dass sich die Theorie Olsons experimentell nicht bestätigen lässt. Außerdem zeigen sie, dass das Kooperationsverhalten großer Gruppen unter Umständen von der sogenannten MPCR-distance gesteuert wird, die als Proxi für die Salienz der wechselseitigen Vorteile aus Kooperation gesehen werden kann. Diese Ergebnisse haben erkennbar eine hohe Bedeutung für die praktische Politik im Hinblick auf die Lösung wichtiger öffentlicher Gut Probleme, wie der Klimapolitik oder der Stabilisierung demoktratischer Systeme.

3. Vor dem Hintergrund der Integration der Verhaltensökonomik in die wirtschaftspolitische Beratung kommt dem Nudging eine besondere Bedeutung zu. Eine wichtige Frage im Zusammenhang mit sanft paternalistischen Eingriffen betrifft die Wirkung einer offenen Kommunikation der Motive für einen Nudge. Wirkt der auch dann noch, wenn die Politik offen kommuniziert, dass sie eine bestimmte Maßnahme ergriffen hat, um die Entscheidung von Menschen in eine bestimmte Richtung zu "schubsen"? Erika Gross ist in einem Experiment dieser Frage nachgegangen und konnte zeigen, dass sich die Kommunikation der Hintergründe und des Ziels von einem Nudge nicht negativ auf die Wirkung des Nudges auswirken. 

Die drei Beispiel zeigen, dass experimentelle Grundlagenforschung sehr wohl ausgesprochen relevante und praktisch bedeutsame Probleme adressieren und behandeln kann.

Letzte Änderung: 25.05.2023 - Ansprechpartner: